Eine Frage der Chemie – Buchvorstellung der Autorin Merte Adam

Merte Adam, ist eine jener Autorinnen, die ich seit Jahren kenne und sehr bewundere, denn sie schreibt richtig gut durchdachte wie fesselnde Kurzgeschichten. Sie ist Mitglied in drei Autorengruppen, beim Autorenverband Franken, den Wortkünstlern Mittelfranken und den Schreiberlingen. Sie liest auch unglaublich viel und ist offen für viele verschiedene Buchthemen oder Genres. Als wir beide uns vor Kurzem wieder etwas mehr ausgetauscht haben, erzählte sie mir von dem Spiegel-Bestseller Eine Frage der Chemie von Bonnie Garmus, den sie gerade gelesen hatte. Merte beschrieb mir den Inhalt des wirklich gut geschriebenen Buches, aber sie war mit dem blumigen Schluss als Happy End einfach nicht einverstanden. Als Leser bzw. Literaturfan dürfen wir auch kritisch sein! Ich meinte, dass ich immer wieder nach Themen für einen meiner monatlichen Blogbeitrag schauen würde und fragte sie, ob sie in einem Blogbeitrag über das Buch ein wenig plaudern möchte. Et voilà, sie willigte ein und für die nächste Veröffentlichung hatte ich ein interessantes Thema zum Bloggen gefunden. Ich präsentiere: Merte Adam’s Buchvorstellung als Interview!

In unregelmäßigen Abständen durfte ich schon erleben, dass du viele interessante Titel liest, darunter nicht nur alte Schmöker, Weltliteratur, Triviales oder Sachbücher, sondern auch Bestseller. Dein letztes Buch war der Spiegel-Bestseller Eine Frage der Chemie von Bonnie Garmus. Warum hast du gerade diesen Bestseller ausgewählt?

Ich hatte eine Buchbesprechung gelesen und hab es dann gekauft.

Interessant! Worum geht es in diesem Werk?

Der Roman spielt in den Jahren zwischen 1960 bis 1970. Frauen waren in den Augen der meisten Männer im Beruf damals nur lästige Konkurrenz und wurden entsprechend brutal kaltgestellt. Sie wurden im Beruf als „nur geparkt“ angesehen, für die Zeit bis zur Heirat.
So wurden Elisabeth Zotts Forschungsergebnisse von ihrem Vorgesetzten als seine eigenen ausgegeben, womit er hohe Forschungsgelder zugesprochen bekam und natürlich seine Reputation steigerte.
Frauen, die damals, gegen jede Konvention, selbstbestimmt leben wollten, die Beruf und Karriere wollten, statt Heirat und Kinder, standen vielen Widerständen gegenüber. In der männlich dominierten Welt der Wissenschaft war dieses Ziel noch ungleich schwerer zu erreichen.
Mit der Protagonistin Elisabeth Zott erlebt man die Hindernisse und Einschränkungen der Frauen damals im Berufsleben sehr direkt.

Jedes Buch hat seine ganz speziellen Stellen, die uns als Leser im Kopf bleiben. Welche Textstelle hat dich besonders berührt oder gefesselt?

Als Elisabeth Zott mit dem herrenlosen Hund nach Hause kommt und ihn Halbsieben nennt. Oder wie sie sich mit viel Überlebenswillen und ungewöhnlichen Methoden wehrt, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, z. B. wird sie aus dem Forschungsinstitut rausgemobbt, weil sie als Konkurrentin zu gefährlich wurde. Da die ehemaligen Kollegen ohne Elisabeth‘s Forschungsergebnisse nicht weiterkommen, besuchen sie danach weiterhin heimlich privat. Auch ihre früheren Kollegen nutzen also Elisabeth‘s weit überlegenes Wissen für ihre eigenen Zwecke.
Daraufhin stellt Elisabeth ihnen dieses Wissen nur noch gegen Bezahlung zur Verfügung.
Und als sie sich gegen die sexuellen Übergriffe wehrt. Vor allem beim zweiten Mal.

Bücher, sind gut geschrieben oder eben nicht. Manchmal sind es aber auch die eigenen Erwartungen, die in uns eine Wertung hinterlassen. Was ist deiner Meinung nach der Autorin gut gelungen und was nicht?

Gut gefallen hat mir die Erzählweise der Autorin. Schmunzeln musste ich an der Stelle, als sie Calvin, ihren Partner, beim Kochen um das Natriumchlorid bittet, statt um das für uns verständliche Salz.
Vieles, was ich aus den Erzählungen älterer Frauen, die in diesen Jahren ihren Platz im Berufsleben suchten, bereits erfahren hatte, las ich hier wieder. Das fand ich sehr gut getroffen.
Nicht so gelungen fand ich das Ende. Es ist mir zu romantisch, wenn am Ende (fast) alles gut wird. Wenn die neue Eigentümerin des Instituts sich als ihre „Beinahe-Schwiegermutter“ herausstellt und ihr damit alle Möglichkeiten zur eigenen Forschung eröffnet und auch noch die bisherige Babysitterin sich endlich von ihrem gewalttätigen Ehemann trennt und die neue große Liebe findet, das ist einfach zu süß.
Die Passagen, in denen Halbsieben aus seiner Perspektive erzählt, das passte für mich nicht zum übrigen Stil. Aus der Perspektive von Tieren oder Sachen zu erzählen, finde ich immer etwas problematisch oder fragwürdig.

Es gibt Romane, die legt man anderen Lesern auch ans Herz. Wem würdest du das Buch weiterempfehlen?

Lesern, die sich für Frauengeschichte in dieser Zeit interessieren.

Lieben Dank für deine interessanten Einblicke in das Buch Eine Frage der Chemie! Ich hoffe, ich darf in Zukunft noch mehr mit dir über Literatur erzählen.

Quelle des Bildmaterials: Merte Adam